Sich in die unendlichen Weiten der wissenschaftlichen Forschung zu wagen, ist eine viel anspruchsvollere Nummer als der oft zitierte Besuch in der Höhle des Löwen. In letzterem Fall müsste einem bewusst sein, worauf man sich einlässt – nämlich aufs gefressen werden. Da herrscht also weitgehende Klarheit. Im Universum der Wissenschaften hingegen muss man ständig mit unerwarteten Ereignissen und Begegnungen zwischen Tod und ewigem Leben rechnen. Trotzdem hat sich dieses Wagnis immer wieder gelohnt und auch der Autor geht es gern ein.
Augenheilkunde
Eines seiner diesbezüglich bevorzugten Gebiete ist die Augenheilkunde. Nein, er ist weder Augenarzt noch sonst irgend ein Fachforscher – solche würden ihn nur als interessierten Laien betrachten oder gar als Dilettanten. Letzteres möchte er doch mit einiger Berechtigung entrüstet zurückweisen, denn er kann sich in gewisser Weise sogar als Experten betrachten und zwar aufgrund seiner praktischen Betroffenheit. Nein, er ist nicht blind, nicht ganz. Aber es reicht, um manchmal was um zu rennen – z. B. kleinere Hunde oder gar Leute.
Brille hilft bei Blindheit nicht
Nach solchen Ereignissen bekommt der Autor dann meistens den guten Rat, sich mal eine bessere Brille verschreiben zu lassen. In diesem Zusammenhang scheinen die ratgebenden Mitmenschen davon aus zu gehen, dass Sehbehinderung oder Blindheit nur extreme Formen von Kurzsichtigkeit sind. Da müsste doch, verdammt noch mal, der Optiker die passenden Linsen im Sortiment haben. Hat er aber leider meistens nicht, weil Blindheit und Sehbehinderung keine fortgeschrittenen Formen der Kurzsichtigkeit sind, sondern von diversen Krankheiten verursacht werden – und schon landen wir in den Gefilden der augenheilkundlichen Wissenschaft und Forschung.
Netzhauterkrankungen
Die zahlreichen Netzhauterkrankungen gehören zu den häufigsten Ursachen für Blindheit. Ihre einzige Gemeinsamkeit ist, dass sie die Netzhaut zerstören – jedoch auf höchst unterschiedliche Weise. Alle diese Blindheit verursachenden Krankheiten an dieser Stelle ausführlich vorzustellen, wäre, gelinde gesagt, etwas viel Holz. Da gibt es neben den zwei Formen von Altersbedingter Makuladegeneration u. a. auch eine Krankheit mit der im Alltag gebräuchlichen Bezeichnung Retinitis Pigmentosa (RP), die der Autor mal etwas näher vorstellen will.
Retinitis oder Retinopathia?
Nun hat die seit etwa 1855 geläufige Bezeichnung Retinitis Pigmentosa schon ihre Tücken, weil sie suggeriert, es handele sich um eine Art Entzündung. Inzwischen weiß man aber sehr genau, dass diese Krankheit überhaupt nichts mit Entzündung zu tun hat. Vielmehr liegen als Ursache – geerbte oder spontane – Genmutationen vor, die zum Absterben der Sehzellen in der Retina oder Netzhaut führen. Daher wäre für diese Netzhautdegeneration die wissenschaftlich korrekte Bezeichnung Retinopathia Pigmentosa. Allerdings, das sei hier nebenbei angemerkt, verbergen sich unter RP wiederum sehr unterschiedliche Krankheitsbilder, deren Differenzierung der Wissenschaft erst seit etwa 30 Jahren allmählich gelingt.
Nun bedeutet Absterben der Sehzellen, dass die Sehfähigkeit mehr oder weniger schnell nachlässt und am Ende das Stadium der Blindheit so gut wie erreicht wird. Tja, und damit wären wir wieder beim Thema Brille gegen Blindheit. Hier sei an alle, die so was empfehlen, die Frage erlaubt, wie denn abgestorbene Sehzellen durch eine Brille ersetzt werden sollen. Die abgestorbenen Sehzellen sind schlichtweg nicht mehr da. Durch dieses Absterben bilden sich im Blickfeld sogenannte Ausfälle, also Stellen, wo nichts mehr gesehen wird. Dieser Prozess kann bislang nicht gestoppt werden und am Ende ist es eben so gut wie zappenduster.
Gewiss wird im Anfangsstadium versucht, einen gewissen Ausgleich per Brille zu erzielen. Das aber kann während des Fortschreitens der Krankheit bald aufgegeben werden. Eine Weile helfen dann noch elektronische Lesegeräte für das, was man Nahbereich nennt. Für den Blick in die Weite gibt es für Leute, die an RP oder anderen Formen der Netzhautdegeneration erkrankt sind, weder optische noch elektronische Sehhilfen. Lediglich Brillen mit zumeist gelben Kantfiltergläsern werden von den Betroffenen oft getragen. Das aber sind keine Sehhilfen, sondern Schutzbrillen. Mit ihrer Hilfe soll z. B. das für die absterbende Netzhaut schädliche blaue Licht vom Auge fern gehalten werden.
Therapeutische Möglichkeiten
Zum Glück findet sich wissenschaftliche Forschung niemals mit einer unbefriedigenden Situation ab. Sie lässt prinzipiell nicht locker bis sie gangbare Wege zur Lösung gegebener Probleme gefunden hat. Das gilt selbstverständlich auch für die Augenheilkunde namentlich im Zusammenhang mit Netzhauterkrankungen. Dadurch sind hinsichtlich Therapie offenbar einige Lichtblicke am Ende des Tunnels aufgetaucht, um diese ewige Metapher mal zu gebrauchen. Doch ist dieses Ende noch ein bisschen weit entfernt und aktuell ist noch nicht klar, ob letztlich Formen des künstlichen Sehens per Netzhautchip oder Gen- bzw. Stammzellentherapien wieder ans Licht führen.
In politischen Kreisen kennt man den Begriff des optimistischen Lauerns. Könnte hier auch ganz gut passen, oder?
Patientenselbsthilfe
Wer nun daran interessiert ist, sich selber etwas näher über Augenheilkunde im Zusammenhang mit Netzhauterkrankungen zu befassen, kann mal auf diese Seite gehen: http://www.pro-retina.de/ Sie wird betrieben von der Patientenvereinigung Pro Retina. Hier haben sich Betroffene zusammengefunden, die ihr Schicksal nicht einfach passiv hin-, sondern vor allem in die eigene Hand nehmen wollen. Die Vereinigung bietet Betroffenen alle Formen der Hilfestellung und setzt sich auch mit eigenen Mitteln und einer eigenen Stiftung für die Förderung der Netzhautforschung ein. Zu diesem Zweck wurden u. a. auch Stiftungsprofessuren eingerichtet.