
Das Alte Land ist ein flaches Gebiet zwischen Hamburg und Stade. Wer in dieser achthundertjährigen Kulturlandschaft ein Höhenerlebnis sucht, muss auf dem Deich spazieren gehen und wer Appetit auf Äpfel hat, kann sie hier in allen Varianten zwischen fest und flüssig genießen. Außerdem gibt es noch ein paar kulturelle und technische Leckerbissen der Spitzenklasse, die bei einer Reise ins Alte Land besichtigt werden können.

Apfelkuchen und Barockorgel
Wir haben uns als Standort für unsere Exkursionen im Alten Land den Ort Grünendeich ausgesucht, der mit Steinkirchen – auf good old platt Steenkark – zusammengewachsen ist. Formal ist dieser Verwaltungssitz der Samtgemeinde Lühe ein Dorf. Doch längst hat sich ein kleinstädtischer Charakter herausgebildet. Es gibt diverse Geschäfte zwischen Supermarkt und Kunsthandwerk und der Bäcker des Ortes hat natürlich immer – wie sollte es hier im Land der dicken Äpfel auch anders sein – einen göttlichen Apfelkuchen im Ofen. Neben solchen kulinarischen Leckerbissen hat der Ort auch noch ein Highlight für Musikfans im Angebot und zwar eine Barock Orgel. Allerdings nicht irgend eine, denn sie ist ein Werk des im 17. Jahrhundert weltberühmt gewesenen Orgelbaumeisters Arp Schnitger, der auch als Stradivari des Orgelbaus bezeichnet wird. Seine Instrumente sind aber nicht nur in dieser Orgellandschaft an der Unterelbe zu finden, sondern sogar im fernen Brasilien.

Anfassen erlaubt
Der Blick in alte Zeiten ergibt sich aber nicht nur in den Kirchen in dieser Gegend zwischen Moorburg und Stade, sondern u. a. auch im Museum von Jork – übrigens eins zum Anfassen. Alles, was nicht berührt werden darf, ist hinter Glasscheiben geschützt – ein Puppenpaar mit alter Hochzeitskleidung z. B. Ansonsten ist es problemlos möglich, alte Kutschen oder Schlitten, bäuerliche Möbel oder Butterfässer mit den Händen zu erforschen. Für Besucher mit Seheinschränkungen, zu denen wir ja bekanntlich auch gehören, ist das ein echter Gewinn. So ist es möglich, das Modell eines sogenannten Holzständers, dessen einzelne Fächer im Alten Land prinzipiell quadratisch waren, auch mit den Händen zu ergründen.

Holzständer sind die statischen Gerüste von Fachwerkhäusern und das Modell im Museum von Jork zeigt natürlich die Konfiguration der traditionellen Bauernhäuser im Alten Land. Sie stehen fast immer mit dem Giebel zur Straße und ziehen sich weit hinein in die Tiefe des Hofes. In der hinteren Hälfte befinden sich die Wirtschaftsräume, wo auch die Stallungen für das Vieh und die Räucherkammer untergebracht waren. Hier wurde u. a. auch gedroschen, gebuttert und Schnaps gebrannt. In der vorderen Hälfte, die strukturell leicht von der hinteren abgesetzt ist, befand sich der Wohnbereich. Dass die Häuser meist mit dem Giebel zur Straße gebaut wurden, hatte übrigens vor allem repräsentative Zwecke. Sie wurden mit viel Aufwand als Hingucker gestaltet, denn die freien Bauern des Alten Landes wollten damit ihren wirtschaftlichen Erfolg zeigen.
Diese Häuser sind übrigens im Alten Land auch heute noch in großer Zahl zu finden. Jedoch werden die hinteren Hälften inzwischen weniger als Wirtschaftsräume genutzt, sondern beispielsweise als Ferienwohnungen vermietet. Die Bauern halten ohnehin kaum noch Vieh, sondern haben sich auf den Obstanbau spezialisiert. Auf ihren Höfen haben sie Verkaufsstände eingerichtet, wo sie nicht nur riesige Äpfel verkaufen, sondern auch Säfte. Ein kräftiger Tropfen, der manchen Calvados durchaus in den Schatten stellen kann, ist auch zu bekommen. Na, dann mal Prost…

Übern Deich zum Haus der Maritimen Landschaft Unterelbe
Nach Kuchen, Kultur und einem kernigen Schlückchen ist ein Bisschen Bewegung keine schlechte Idee. So wird nun nach einem kleinen Spaziergang der Deich erklommen um auf dessen Krone noch ein Stückchen weiter zu gehen. Eine etwas windige Angelegenheit zwar – doch der Blick über die Unterelbe ist ein Hochgenuss.


Unterwegs wartet am Lühe Anleger, von wo aus man per Fähre hinüber nach Wedel schippern kann, bei Bedarf noch eine süße oder brutzelige Füllung für den Magen. Da gibt’s sogar einen kleinen Leuchtturm – wenn auch nur als Aschenbecher auf dem Imbisstisch.

Schließlich ist Grünendeich wieder erreicht und damit das Haus der Maritimen Landschaft Unterelbe. Für alle Fans der Schifffahrt ein echter Leckerbissen, den wir bereits im Juli dieses Jahres vorgestellt hatten.

Doch es gibt im Alten Land auch noch Dinge, die nichts mit Orgel, Obst und Elbe zu tun haben. Z. B. diesen schönen Oldtimer vor der Tür eines Hauses in Grünendeich, den wir keineswegs unerwähnt lassen können…

Und warum heißt die Gegend „Altes Land“?
Nun, die Bezeichnung geht zurück auf die niederländischen Siedler, die vor achthundert Jahren dieses Marschland an der Unterelbe urbar machten. Dabei gingen sie über einen längeren Zeitraum Stück für Stück vor und der jeweils fertige Bereich war dann das alte Land im Unterschied zu dem neuen Land, an dessen Urbarmachung gerade gearbeitet wurde. Irgendwann war kein neues Land mehr übrig, das noch urbar gemacht werden musste. Seither heißt die gesamte Gegend Altes Land.
Darauf einen dicken Apfel…

Fotos: Alle Vera Schwarz und Peter Bachstein bis auf 9. Dieses ist vom Haus der Maritimen Landschaft Unterelbe
Schöner Reisebericht, schöne Gegend. Das macht Lust aufs Reisen.
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ich muss gestehen, dass ich zwar oft iin hamburg war, aber seit vierzig jahren nicht mehr im alten land. in jüngeren jahren war ich aber oft dort unterwegs. es war wirklich so etwas wie wiedersehensfreude, als wir dort mal wieder zwei wochen verbringen konnten. irgendwie hat die gegend eine ganz tolle atmosphäre. übrigens auch die alte hansestadt stade, die allerdings mal gesondert behandelt wird.
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