In der Reihe „Geheimnisvolle Orte“ zeigt das rbb Fernsehen am 19. Dezember ab 20:15 einen Film über die Berliner Gedächtniskirche. Erbaut als wilhelminischer Tempel des monarchistischen Nationalwahns wurde sie nach 1945 zum Mahnmal gegen den Krieg. Für den Großstadtwanderer verbinden sich mit der Gedächtniskirche auch ganz persönliche Erinnerungen…
Als Denkmal geplant
Die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, erbaut zwischen 1891 und 1896, war von Anfang an nicht so sehr Gotteshaus sondern vor allem ein bombastisches Denkmal, ein monarchistisches Bollwerk gegen die aufkommende Moderne in direkter Nachbarschaft. Hier wollte der Hohenzollern Clan seine maßlos überschätze Größe in neoromanischem Prunk zelebrieren, wozu natürlich auch ein weithin schallendes Geläut von fünf riesigen Glocken diente. Der gewaltige Lärm des bronzenen Gebimmels brachte die Monarchisten zum Jubeln, die Hunde zum Jaulen und die Wölfe im nahen Zoo zum Heulen. Bezahlt wurde die gemauerte Großmannssucht und die tägliche Show übrigens nicht vom Kaiser selbst und ebensowenig von seinem Familienclan. Die Kohle mussten die Untertanen und die deutschen Provinzen aufbringen.
Antikriegs-Symbol
Zu einem Denkmal, zu einem Wahrzeichen ganz anderer Art wurde die Gedächtniskirche nach den Zerstörungen während des zweiten Weltkriegs – allerdings nicht gleich. Zunächst wollten die Stadtplaner West-Berlins das riesige Trümmerfeld der Stadt inklusive Gedächtniskirche schleifen um eine völlig neue Stadt zu bauen. Die Berliner akzeptierten das jedoch nicht, bauten, so gut es ging, die Stadt wieder auf und setzten sich sogar für den Erhalt der Kirche ein, obwohl sie ursprünglich an dieser wenig Interesse gezeigt hatten.
Nun aber, da sie Ruine war, kämpften die Berliner plötzlich für sie. Die Ruine sollte bleiben als Symbol der „Stunde Null“, Hinweis auf den Hochmut und den tiefen Fall, Mahnmal gegen den Krieg, Denkmal der Trümmerfrauen und derer, die unter den Trümmern lagen, eine Erinnerung an alles, was man durchgemacht hatte. Die Stadtplaner mussten kapitulieren, setzten jedoch die zusätzliche Errichtung des neuen achteckigen Gebäudeensembles durch. In diesem Zusammenspiel von Ruine und Neubau wurde die Gedächtniskirche zum Aushängeschild des Schaufensters West-Berlin…
Ort der Versöhnung
Heute glaubt jeder sie zu kennen. Wer in Berlin war, hat sie gesehen. Sie ist eine der Attraktionen der Stadt, doch weiß keiner so recht, was es auf sich hat mit dem „Hohlen Zahn“, wie die Berliner sie angeblich nennen. Heute steht die Ruine fester, als die Kirche je stand. Längst ist vergessen, an welchen Wilhelm sie erinnern sollte. Sie ist ein Mahnmal gegen den Krieg geworden und geblieben, ein steinernes „Nie wieder!“. Seit dem Anschlag vom Dezember 2016 ist der Platz um die Gedächtniskirche, der nach dem antifaschistischen Widerstandskämpfer Rudolf Breitscheid benannt wurde, jedoch trauriger geworden. Er wurde zu einem anderen Ort. Das Mahnmal hat einen Sinn hinzugewonnen – nein, es hat ihn schon seit 1945 – und er heißt: Versöhnung.
Internationaler Treffpunkt
Soweit zum Inhalt des Films von Andreas Christoph Schmidt und Christian Klemke. Doch jedes Mal, wenn von der Gedächtniskirche die Rede ist, fallen dem Großstadtwanderer auch persönliche Erinnerungen ein. Ihr zeitlicher Ort sind die späten Sechziger- und frühen Siebzigerjahre. Damals war die Gedächtniskirche weltberühmter Treffpunkt einer internationalen und multikulturellen Jugendcommunity, die zwischen Hippietum und Anarchismus zu Trommeln und Gitarren Lieder vom Aufbruch in eine neue, solidarische Welt ohne Krieg und Elend sang. Der Großstadtwanderer war auch dabei…
Wenn ich jetzt so darüber nachdenke: Kein Buch, aber ein Büchlein könnte ich füllen mit persönlichen Erinnerungen an die Gedächtniskirche – jede anders und jede eine Geschichte für sich. Auch wenn ich das im Kontext „Geheimnisvolle Orte“ etwas schräg finde, denn dies war immer ein sehr öffentlicher Ort, ist eine Doku darüber auf jeden Fall eine gute Idee.
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prima wenn du da geschichten auf lager hast. willst du nich mal welche bloggen? würde mich sehr interessieren…
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Ich könnte mich jetzt aus der Affäre ziehen, indem ich sagte, ich würde darüber nachdenken. Aber ich denke nicht ernsthaft darüber nachher. Man sollte nie sagen, dass man über dieses oder jenes eine Buch schreiben könnte. Früher habe ich mich insgeheim immer lustig gemacht über Leute, die behaupteten, wenn sie nur ein wenig schriftstellerisches Talent besäßen, gäbe ihr Leben den Stoff für einen Roman. Nicht zuletzt dank Internet kann sich heute jeder schriftlich mehr oder weniger ausdrücken – und tut es. Ich bräuchte mindestens ein Konzept und habe keines. Meine Gedächtnis-Kirchen-Geschichtchen haben keinen Zusammenhand. Die Kirche selbst ist keiner bzw. nur in einem sehr umfassenden, praktisch die Menschen in dieser Stadt begreifenden Sinn. Ich werde versuchen mir die Fernseh-Doku irgendwann anzuschauen. Da ich schon lange keinen Fernseher mehr habe, muss ich schauen, ob und wo sie ins Netzt gestellt wird.
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Meine Erinnerung an diesen Platz an der Gedächtniskirche ist bei mir nicht so positiv besetzt. Ich glaube , als ich das letzte mal dort war, gab es dort ein Getümmel, war es eine ungut verlaufende Demo oder was, daran erinnere ich mich nicht, jedenfalls aber weiß ich noch,dass ich mich nicht aus dem Hotel im Europa Center heraustraute, sondern die Randale oben im Hotelzimmer vorm Fernseher verfolgte. Eine absurde Situation.
Wie sprach dereinst unsere alte Tante Lieschen, als unsere Hauptstadt von Bonn nach Berlin verlegt wurde?
„Aus Berlin ist noch nie was Gutes gekommen.“
Naja.
😉
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och, ich finde, dass schon manches gute aus berlin gekommen ist. interessante bands beispielsweise. manche waren sogar stilbildend wie etwa die elektroniker der ersten stunde namens tangerine dream, gegründet 1867. oder die ärzte…
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