Es ist so ein motivierend schöner Tag zwischen Frühling und Sommer, den die geheimnisvolle Besucherin nicht unbedingt in den häuslichen vier Wänden verplempern möchte. Daher kommt sie spontan auf die Idee, mal die in Bautzen beginnende erste Etappe des sächsischen Jakobsweges unter die Sohlen zu nehmen. Der Großstadtwanderer fühlt sich veranlasst, sofort sein ansonsten heiliges Frühstück abzubrechen um in den sonntäglichen Pilgermodus zu verfallen…
Starpunkt an der Spree
Auf der Suche nach dem offiziellen Startpunkt des sächsischen Jakobsweges geht’s zunächst quer durch die tausendjährige Senfstadt und dann hinab in die Seidau. Diese Vorstadt erstreckt sich am Ufer der Spree unterhalb des Felsens, auf dem Bautzen thront. Sie wurde einst unter anderem von Gerbern bewohnt, die ihr etwas geruchslastiges Handwerk nicht in den Mauern der Stadt betreiben durften. Daran erinnert noch heute die Gerberbastei, in deren alten Mauern heute eine moderne Jugendherberge auch Jakobspilger empfängt. Die benötigen zum Übernachten übrigens nicht unbedingt einen Herbergsausweis, dafür aber einen Pilgerpass, der auch zum Sammeln der Jakobsstempel dient.
Unsere beiden Sonntagspilger brauchen jedoch keinen Schlafplatz und statten daher der Gerberbastei auch keinen Besuch ab. Stattdessen verlassen sie Bautzen durch die nicht mehr vorhandene Fischerpforte und erreichen am Ende eines steil abwärts führenden Weges am Ufer der Spree den Startpunkt des sächsichen Jakobsweges. Hier gibt’s noch ein Schild, das darauf hinweist….
Suche nach der Jakobsmuschel
Im weiteren Verlauf der Tour müssen sie sich jedoch von der gelben Jakobsmuschel auf blauem Grund leiten lassen. Doch sie ist so klein und manchmal so versteckt angebracht, dass die Suche nach ihr für Menschen mit Sehbehinderung, zu denen die Beiden bekanntlich gehören, nicht gerade als barrierefrei bezeichnet werden kann. Diese Erfahrung müssen sie schon nach wenigen hundert Metern sammeln als sie von der Muschel auf die andere Straßenseite geschickt werden. Dort müssen sie die Muschel aber erstmal suchen, was jedoch nicht in Sekundenschnelle möglich ist. Nun gut, Pilgern heißt Suchen, dass damit aber offenbar die Suche nach der Wegmarkierung gemeint sein könnte, ist eine unerwartete Überraschung. Aber Pilger lassen sich bekanntlich nicht aufhalten sondern überwinden alle Schwierigkeiten ohne Murren.
Gedenkstein am Jakobsweg
So setzen auch unsere Beiden ihren Weg fort, der zunächst durch eine etwas langweilige Garagenlandschaft führt und dann – in Form dieses Gedenksteins – zu einer beklemmenden Begegnung mit unserer Geschichte.Solche Begegnungen gehören mit Sicherheit auf diesen Pilgerpfad genau wie die traurige Stimmung, die sich auch beim Anblick der idyllischen Bilder des Spreetals erst allmählich löst. Der Eindruck bleibt jedoch erhalten – nicht nur für diese Etappe sondern für immer.
Durchs Spreetal zur Rapslandschaft
Der Weg am Ufer der Spree entlang ist übrigens das landschaftliche Highligts dieser ersten Etappe des Sächsischen Jakobsweges und der Großstadtwanderer ist wieder erstaunt, wie quirlig sich jener Strom gebärdet, der sich in Berlin eher träge und behäbig Richtung Havel wälzt.
Teilweise ist das Spreetal die reinste Felsenlandschaft und der Großstadtwanderer bereut es, den Klettergurt sowie Seile und Haken nicht mitgenommen zu haben. Eine kleine Kraxeleinlage unterwegs wäre doch was Schönes gewesen. Obwohl er sich diesen Felsen auch ohne Ausrüstung zutraut. Die geheimnisvolle Besucherin verweist aber auf den Pilgercharakter des Weges, da sei Klettern eher nicht im Programm…
Schließlich verlässt der Weg das Spreetal um anschließend durch eine Landschaft zu führen, die offenbar nur noch aus Raps besteht. Sieht ja zunächst ganz nett aus ist aber am Ende ein gelbes Einerlei ohne jeglichen Kontrast bunter Wiesenblumen. Da mag keine Biene bleiben und daher ist auch nirgendwo das Summen der emsigen Honigmacherinnen zu hören.
Nicht im Himmel landen
Am Rande der Rapslandschaft wartet eine Hauptverkehrsstraße auf die beiden Sonntagspilger und natürlich ist wieder mal keine Jakobsmuschel zu erblicken. Umkehren wäre jetzt gar keine so schlechte Idee zumal das Überqueren der Straße, um auf der anderen Seite nach der Muschel zu suchen, aufgrund des rasenden Verkehrs die Bezeichnung lebensgefährlich mit Sicherheit verdient. Nun wird zwar gern behauptet, dass Jene, die auf Pilger- und Jakobswegen ihr Ende finden schnurstracks im Himmel landen. Muss aber nicht sofort sein, finden die Beiden und machen erstmal ein Mittagspäuschen…
Frankenstraße
Anschließend wagen sie tatsächlich den tollkühnen Sprung durch den Verkehrsstrom, finden an einen Baum gepinnt sogar die Muschel und folgen vertrauensvoll der angegebenen Richtung. Es geht übrigens von jetzt an bis Bischofswerder – von den Einheimischen Schibock genannt – nur noch an Straßen entlang. Das hätte der Großstadtwanderer aber ahnen können denn in diversen Beschreibungen wird ja darauf hingewiesen, dass der Sächsische Jakobsweg der alten Frankenstraße folgt.
Fazit nach der ersten Etappe: Pilgern auf dem Sächsischen Jakobswweg scheint für Sehbehinderte so was Ähnliches wie Risikosport zu sein. Da unsere beiden Sonntagspilger jedoch echte Risikofans sind, werden sie demnächst untersuchen, ob dieser spezielle Jakobsweg Richtung Hof unterwegs auch mal an einer Autobahn entlang geht…