Brandenburg an der Havel: Wasser, Backsteingotik und Slawendorf

Brandenburg an der Havel BollmannbrunnenJede Menge Wasser, großartige Bauwerke der Backsteingotik und barrierefreie Wege für entdeckungsfreudige Spaziergänger sind die Markenzechen von Brandenburg an der Havel. Und am Rande der Hauptstraße wartet in der Pose eines Brunnenheiligen Fritze Bollmann „der Barbier aus Brandenburg“…

Brandenburg an der Havel als Wasserstadt

Inseln im Strom

Bekanntlich gibt es im Bundesland Brandenburg auch eine Stadt gleichen Namens, die den Zusatz „an der Havel“ trägt. Nicht ganz korrekt, denn genau genommen sind es Inseln in diesem Strom, dessen Arme die drei einst selbständigen Kerne dieser Wiege der Mark Brandenburg liebevoll umschlingen. Es ist also kein Zufall, wenn Reisende bei ihren Spaziergängen durch dieses Kleinod der norddeutschen Backsteingotik immer wieder am Wasser landen, wobei zusätzlich zu den Havelarmen zahlreiche Kanäle und Seen das oft besungene Klein-Venedig-Bild komplettieren.

Brandenburg an der Have von Wasser umgeben

Der Dom – Backsteingotik mit Schinkel-Tupfer

Brandenburg Havel Dom

 

Letzteres ist allerdings vornehmes Understatement, denn diese Mittelstadt mit ihren etwa 70.000 Einwohnern braucht sich nicht verstecken hinter der kaum größeren Adria Perle, weil sie sich selbst als Perle mit sehenswerten Bauwerken präsentiert. Zu den entsprechenden Beweisen gehört ohne Frage der Dom St. Peter und Paul, dessen heutige Gestalt in ihrer Backsteinästhetik ein markantes Beispiel des gotischen Stils in der besonderen norddeutschen Interpretation ist. Ein bisschen Schinkel steckt aber auch drin, denn der berühmte preußische Architekt hatte Mitte des 19. Jahrhunderts erfolgreich verhindert, dass der schwere Bau mittelalterlicher Kultur vom sumpfigen Untergrund der Dominsel verschluckt wurde.

Dom Portal

Dom Krypta

Katharinenkirche in der Neustadt

Diese Dominsel war übrigens ursprünglich nicht Teil der Stadt, sondern eine dem Bischof unterstehende separate Verwaltungseinheit. Das traf – allerdings ohne den Bischof – auch auf die Neustadt zu, die aus heutiger Perspektive aber keineswegs neu ist, sondern gute 800 Jahre alt und damit nur unwesentlich jünger als die Altstadt, deren erste stadtrechtliche Erwähnung aus dem Jahre 1170 stammt. Beide hatten ihre eigenen Stadtmauern sowie städtischen Selbstverwaltungen und errichteten ihre eigenen Kirchen. So entstand zu Beginn des 15. Jahrhunderts in der Neustadt die Katharinenkirche als fulminanter Höhepunkt der norddeutschen Backsteingotik. Mit ihrem 32 Meter hohen Hauptschiff und dem 72,5 Meter hohen Turm wurde sie das größte Gotteshaus in Brandenburg an der Havel. Sie zeugt vom Selbstbewusstsein städtischer Bürger des Spätmittelalters, die sich keineswegs scheuten, mit ihrer Kirche den Dom des Bischofs an Pracht und Größe zu überbieten. Schließlich gehörte man genau wie die Altstadt zur Hanse.

Brandenburg Havel Katharinenkirche Neustadt

Orgel Katharinenkirche

Jahrhunderte lang existierten diese beiden Städte nebeneinander. Erst im Jahre 1715 wurde die städtische Vereinigung vollzogen. Die Dominsel zierte sich noch viel länger und gesellte sich als dritter Ortsteil erst 1929 dazu.

Restaurant in der Dom Remise

Heute wie einst beeindruckt die Katharinenkirche Besucher mit ihrer imposanten Architektur und den wertvollen kunsthandwerklichen Arbeiten im Innenraum, wobei die Orgel ebenfalls höchste Beachtung verdient. Doch hat der Dom einen wesentlichen Vorteil – das hervorragende Restaurant in der ehemaligen Remise. Daher ist es ohne Frage sinnvoll, während einer Reise nach Brandenburg an der Havel den Dom als letzte Station im Reigen der kulturellen Highlights anzusteuern.

Brandenburg Havel Restaurant Dom

Brandenburg Dom Restaurant Teller

Besuch im Slawendorf

Nun ist der Ort älter als es die Gründungen des Doms und der beiden Städte vermuten lassen. Erste urkundliche Erwähnungen von Brandenburg an der Havel stammen aus der Mitte des 10. Jahrhunderts. Damals gab es in dieser Gegend jedoch eher Siedlungen mit dörflichem Charakter. Seinerzeit wurden die Hütten überwiegend aus Holz errichtet. Bei einem Besuch im Slawendorf, das ebenfalls zu Brandenburg an der Havel gehört, können sich Reisende in jene ferne Epoche zurück versetzen lassen.

Brandenburg Havel Slawendorf

Brandenburg Havel Slawendorf zwo

Die Bollmann-Story

Ach ja, die Story von Fritze Bollmann fehlt noch, denn immerhin ist er posthum zum berühmtesten Bürger der Stadt geworden. Zu Lebzeiten jedoch war er ein zwar geschickter, jedoch geschäftlich erfolgloser Friesör in der Altstadt, der seinen Kummer im Alkohol ertränkte und beim Angeln in den Bach gefallen war. Unglücklicherweise erzählte er anschließend von seinem Missgeschick und schon bald entstanden die ersten Strophen jenes Spottliedes, das mit Hilfe einer gewissen Claire Waldoff im Berlin der wilden Zwanzigerjahre zu einem berühmten Gassenhauer wurde. Hier gibt’s eine der vielen Textversionen des alten Songs und hier die gesungene Version von Claire Waldoff…

Brandenburg an der Havel barrierefrei

Die dreifaltige Stadt im Havelstrom bietet sich als attraktives Urlaubsziel für Alle an, die sich für die Kultur der norddeutschen Backsteingotik oder die einzigartige Naturlandschaft des Havellandes interessieren. „Für Alle“ heißt, dass sich auch Menschen mit Behinderung definitiv angesprochen fühlen sollen. So gibt es beispielsweise zwei besonders für Rollstuhlfahrer geeignete innerstädtische Routen entlang der kulturellen Highlights. Barrierefrei im Sinne des Rollstuhls sind aber auch die Museen sowie das Slawendorf. Und wer mit dem Rollstuhl ins Brandenburgische Theater möchte, findet hier auch barrierefreie Verhältnisse.

Taktilses Modell dr alten Stadt - KopieFür blinde und sehbehinderte Besucher gibt es auf dem Neustädter Markt ein dreidimensionales Tastmodell der Stadt. Allerdings muss man da erst einmal hinfinden, wenn man vom Bahnhof aus losgeht, was ja bei Reisenden mit Seheinschränkung aufgrund der Tatsache, dass sie nicht Autofahren können, meistens der Fall ist. Ein Tastmodell am Bahnhof wäre daher auch eine prima Idee.

Kommentar des Großstadtwanderers

Insgesamt ist das Erkunden von Brandenburg an der Havel auch für Besucher mit geringer oder ohne Sehkraft problemlos möglich, wie der Großstadtwanderer mehrmals allein, im Doppelpack oder in der Gruppe feststellen konnte. Besonders hervorheben möchte er an dieser Stelle die freundliche Unterstützung, die ihm bei seinen Aufenthalten in der Katharinenkirche von den dort Beschäftigten zu Teil wurde.

Backofen SlawendorfAuch einen Besuch des Slawendorfes möchte er ausdrücklich empfehlen – aber versehen mit dem Hinweis, dass hier aufgrund der eher naturbelassenen Wege mit gewissen Stolpererlebnissen zu rechnen ist. Trotzdem hat der Großstadtwanderer sich hier bislang keine einzige Beule eingefangen und das Betasten der Hütten und ihrer Einrichtungen vermittelte ihm in Kombination mit seinem Sehrest ein sehr eindrucksvolles Bild von den ländlichen Lebensumständen, wie sie vor über Tausend Jahren in Brandenburg üblich waren. Wie in allen anderen Lebenslagen fand er natürlich auch hier vor allem Hütte und Werkstatt des Bäckers besonders interessant. Bekanntlich fühlt er sich überall gleich zu Hause, wo solche Handwerker ihre knusprigen Produkte anbieten. Im Slawendorf zu Brandenburg an der Havel kann man manchmal sogar mitmachen beim Backen auf mittelalterliche Art…

2 Gedanken zu “Brandenburg an der Havel: Wasser, Backsteingotik und Slawendorf

Hinterlasse einen Kommentar