ITB: Hindernisparcours und eine spezielle Präsentation für blinde und sehbehinderte Menschen

Die Wege auf der ITB sind nicht wirklich barrierefrei bezogen auf blinde und sehbehinderte Menschen. Diese wurden jedoch von der Reisebranche längst als Zielgruppe entdeckt wie sich bei einem vom ABSV organisierten Treffen auf der Messe zeigt…

Blick auf das Palais am Funkturm

Nicht gerade barrierefrei

Die Verhältnisse auf dem Gelände und in den Räumen der Berliner Messe können aus der Perspektive blinder und sehbehinderter Besucher nicht gerade als barrierefrei bezeichnet werden. Es existieren offensichtlich weder taktile noch kontrastierende Strukturen und so kann ein Spaziergang durch die heiligen Hallen mit den zahlreichen Ausstellern durchaus zu einem Crashkurs werden wie der Großstadtwanderer aus jahrzehntelanger Erfahrung weiß. Höhepunkt an Kontrastverneinung sind übrigens die Toiletten, deren weißgraues Einerlei die Suche nach den Kack- und Waschschüsseln zu einem echten Irrgartenerlebnis macht. Da stellen auch die Behindertentoiletten keine Ausnahme dar.

Auch die diesjährige ITB glänzt erneut mit kreativer Unwegsamkeit und des Großstadtwanderers rastloser Fuß mäht unterwegs immer wieder Barrieren wie Stühle und Hocker sowie Ständer mit Reiseprospekten darnieder. Am finnischen Stand gar schnappt er sich ein Körbchen, in dem er Infomaterial vermutet, zu seiner positiven Verblüffung aber Schokolade vorfindet. Selbstverständlich gibt er der geheimnisvollen Besucherin ein Bisschen davon ab ehe ihn die protestierenden Rufe der Standbetreuerin darauf aufmerksam machen, dass die Schokolade nicht nur für ihn, sondern für die Allgemeinheit gedacht ist. Brav stellt der Großstadtwanderer das inzwischen fast leere Körbchen wieder auf den Tresen woraufhin die Allgemeinheit in Gestalt eines etwa zehnjährigen Mädchens sich die restlichen Schokostücke schnappt.

am finnischen Stand

Natürlich ist dem Großstadtwanderer klar, dass eine Messe mit gut zehntausend Ausstellern für Menschen ohne Adleraugen immer eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Hindernisparcours haben wird. Allerdings wäre es schön, wenn die Aussteller für diese Besuchergruppe zugängliches Infomaterial bereithalten würden. Audio CDs wären da eine gute Idee, die bislang jedoch erst von wenigen Ausstellern umgesetzt worden ist.

Luthermodus und Weinumtrunk

Auch der vom ABSV organisierte gemeinsame ITB-Besuch von blinden und sehbehinderten Menschen verläuft zunächst nicht ganz barrierefrei weil der Fahrer eines Shuttlebusses die Gruppe nicht übers Messegelände schaukeln will. Erst die spontane Intervention einer Mitarbeiterin der Messeleitung sorgt dafür, dass ein weiterer Shuttle auftaucht, der die Gruppe zur Halle 11 befördert.

Hier gibt’s eine höchst informative Audiopräsentation der Bundesländer Sachsen, Thüringen und Brandenburg, die stark vom Reformationsjubiläum geprägt ist. Aus diesem Grund ist aus Jüterbog kein geringerer als der historische Ablassdealer Tetzel gekommen und Erfurt wurde gar von einer Dame vertreten, die den Namen Luther trägt und die Reihe ihrer Ahnen bis zu einem Bruder des Reformators zurück verfolgen kann. Da ist es echt auffällig, dass die Präsentation von MeckPom ganz ohne Reformationsmodus auskommt und sich auf die bewährten Highlights wie Seenplatte und Ostseestrand konzentriert.

Tetzel aus Jüterbog.JPG

Insgesamt scheinen sich die bei diesem Treffen anwesenden vier Bundesländer intensiv um die barrierefreie Gestaltung ihrer Urlaubsangebote zu bemühen. Erfreulicherweise werden mehr und mehr auch die speziellen Bedürfnisse blinder und sehbehinderter Reisender berücksichtigt, während in der Vergangenheit Barrierefreiheit überwiegend auf den Rollstuhl fokussiert gedacht wurde. So bekommt der Großstadtwanderer am Ende den positiven Eindruck, dass die Vielfalt der Reiseziele sich für blinde und sehbehinderte Menschen immer besser erschließen lässt. Das betrifft Städtereisen etwa nach Erfurt, Jüterbog oder Potsdam ebenso wie Strandurlaub an der Ostsee. Auch Aktivurlaub mit sportlichen und kulturellen Angeboten runden die Palette ab.

Frauenkirche taktilNatürlich geht so eine Präsentation nicht ohne Mitbringsel über die Bühne. Daher bekommt jeder Teilnehmer einen prall gefüllten Beutel mit Infomaterial – etliches in Print, was Blinden nicht so viel bringt. Aber immerhin gibt’s die Broschüre „Brandenburg für Alle“ auch auf CD im PDF-Format und sowohl Thüringer wie Sachsen haben gar DAISY CDs mitgebracht. Außerdem stehen tastbare Abbildungen der Dresdener  Frauenkirche zur Verfügung und zum krönenden Abschluss werden edle Rebensäfte in weiß und rot aus den sächsischen Anbaugebieten für einen kleinen Umtrunk serviert.

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