Am Rande des Hermannplatzes in Berlin Neukölln fragt ein Tourist aus dem Schwabenländle, wo denn dieser Louis mit den großen Schnitzeln zu finden sei. Da aber der Hermannplatz inzwischen ein internationaler Touristentreffpunkt geworden ist, erwischt der hungrige Schwabe zunächst auch nur Leute, die, wie er selbst, von weit her kommen. Von dem Laden gehört haben schon einige, doch keiner scheint zu wissen, wie man da hin kommt. Endlich aber wird dem Mann aus Deutschlands Südwesten weitergeholfen von einem türkischen Berliner, der ihm den Weg per U-Bahn und zu Fuß sehr detailliert beschreibt. Der Schwabe wählt den Fußweg…
Heavy Metal Sound
Vom Hermannplatz die Karl Marx Straße entlang zu laufen ist wie ein Schwimmen im Strom des endlosen Menschenflusses. Zahllose Geschäfte, Restaurants und Dönerläden flankieren diese Supertangente Neuköllns. Eine Kulisse für ein Stück, das Einkaufsbummel heißt. Dazu über alle Oktaven des hörbaren Spektrums der Heavy Metal-Sound des motorisierten Zeitalters…
Böhmisch Rixdorf mit Jan Hus und Brüdergemeine
So oder ähnlich hatte sich der Schwabe Berlin möglicherweise vorgestellt. Doch dann, vom Big City Trubel der Karl-Marx-Straße in die Richardstraße einbiegend, eröffnet sich ihm mitten in der Millionenmetropole eine etwas andere Welt. Die Klänge werden selektiver und verhaltener und die Luft scheint sogar ein bisschen nach ländlicher Idylle zu riechen. Besonders erstaunlich aber zwischen den prangenden Gründerzeitfassaden sind die Satteldachhäuser mit hölzernen Flügeltoren vor bogenförmig gemauerten Einfahrten. Groß genug für die Erntewagen einer vergangenen Epoche, als hier noch bäuerliches Leben herrschte.
Das sind die Reste eines böhmischen Dorfes mitten im Großstadtgewühl und Hinweis auf die Einwanderertradition Neuköllns. Gegründet wurde es von Siedlern, die anno 1731 aus den tschechischen Gebieten der damaligen Donaumonarchie aus Glaubensgründen geflohen waren. Die Böhmischen Brüder bauten hier ihr eigenes Dorf und bildeten später zusammen mit Deutsch Rixdorf die Keimzelle des heutigen Neukölln, dem kulturellen Hot Spot der deutschen Hauptstadt. Hier hat auch der tschechische Reformator Jan Hus sein Straßenschild und selbstverständlich ist die böhmische Brüdergemeine (kein Schreibfehler, sie heißt wirklich so) noch immer ein aktiver Vertreter des religiösen, sozialen und kulturellen Lebens in dieser Keimzelle des multikulturellen Neuköllns.
Restaurant Louis am Rixdorfer Anger
Der Weg des hungrigen Schwaben geht weiter die Richardstraße entlang, an deren Ende sich nicht nur der alte Rixdorfer Anger mit der historischen Schmiede, sondern auch das ersehnte Lokal namens Louis befindet. Kein böhmisches Restaurant, aber immerhin ist der Wirt ein Österreicher und das merkt man auch. Der Kaiserschmarren sprengt das Fassungsvermögen jedes Einzelmagens und das Große Schnitzel lockt inzwischen sogar hungernde Gäste aus Fernost und dem nicht ganz so fernen Schwabenländle an den Rand des böhmischen Dorfes zu Berlin Neukölln.
Doch halt – am Ende stellt sich heraus, dass der Schwabe gar kein solcher ist, sondern ein Badenser mit italienischen Wurzeln. Doch Berliner Ohren aller Art können die feinen sprachlichen oder akzentmäßigen Unterschiede nicht so ganz wahrnehmen. In diesem Restaurant sind solche regionalen Besonderheiten ohnehin wurscht. Hier wird allgemein auf deutsch-österreichische Freundschaft gemacht – wobei unklar bleibt, ob damit an die einstige New Wave-Band gleichen Namens erinnert werden soll oder vielmehr die Kochrezepte beider Länder gemeint sind.
Fotos: 1. peter bachstein, 2., 3., 4. Vera Schwarz, 5. peter bachstein
Berlinkenner und Feinschmecker.
Danke für diese Reise.
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falls du wieder mal in berlin bist, geh ruhig mal hin – bring aber großen hunger mit…
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