Über Sehbehinderung, Reisefieber und holprige Pfade

Der Großstadtwanderer und seine geheimnisvolle Besucherin gehören bekanntlich zu jenen Leuten, die nicht gerade über Adleraugen verfügen. Trotzdem sind die Beiden nicht übertrieben häuslich orientiert, sondern tigern lieber durch laute Städte und stille Wälder, was im familiären Umfeld bisweilen auf ein gewisses Unverständnis trifft. Und überhaupt könnten die Beiden doch wie anständige Großeltern die zehn Enkelkinder betreuen und für dieselben wärmende Socken stricken statt immerzu den Globus mit ihren Fußstapfen zu verzieren.

Mit Florian auf WanderschaftDoch gegen die Sehnsucht nach der Ferne gibt es bislang keine wissenschaftlich abgesicherte Therapie und gäbe es eine solche, würden die Beiden sich mit großer Wahrscheinlichkeit Therapie resistent verhalten. Außerdem können sie mit Stricknadeln nicht umgehen und wenn sie ein Enkelkind dabei haben, geht’s mit ihm oder ihr auch hinaus in die weite Welt.

Equipment im KinderwagenManchmal nehmen sie sogar einen Kinderwagen mit. Ein Baby liegt jedoch nicht drin. Vielmehr dient er als Transportfahrzeug für die zwei Gitarren – eine Mundharmonika und zwei kleine Verstärker. Mit Hilfe dieses grandiosen Equipments wird ab und zu etwas Reisegeld verdient.

Opulentes Mal im WaldKlar kommen da manchmal so dusselige Fragen nach dem Sinn des ewigen Unterwegsseins, wenn der visuelle Aktionsradius eine gewisse Begrenztheit akzeptieren muss. Eine gewisse Begrenztheit ist aber auch Auslöser solcher Fragen und zwar in Bezug auf die Phantasie mancher Leute mit voller Sehschärfe, deren Wahrnehmung der Welt sich überwiegend visuell austobt. Als hätten wir Menschen neben der visuellen nicht auch noch jede Menge weiterer Wahrnehmungsmöglichkeiten. Liebe Leute, die Welt sieht nicht nur irgendwie aus, sondern hört sich auch verdammt interessant an oder riecht und schmeckt verführerisch. Insbesondere das Schmecken hat es dem Großstadtwanderer schon immer angetan. Er hat auf seiner Never Ending Tour so manches opulente Mal und haufenweise köstliche Kleinigkeiten verputzt und allein dafür hat sich dieses Reiseleben gelohnt.

Aber ist es nicht auch gefährlich, mit Sehbehinderung durch die Welt zu geistern?

In der Einsamkeit des WaldesGewiss – aber war es nicht auch gefährlich, als Kolumbus lossegelte ohne zu wissen wohin? Oder als jenes merkwürdige Wesen einst vom sicheren Baum kletterte, um fortan als Savannen-, Wald- und Bergläufer auf die Reise ohne Ende zu gehen? Dagegen ist doch das Reisen mit Sehbehinderung ein eher ganz gut kalkulierbares Risiko. Natürlich gibts die eine oder andere Beule, insbesondere wenn man wie der Großstadtwanderer und seine geheimnisvolle Besucherin eher die etwas holprigen Pfade bevorzugt. Aber solche Beulen gehen auch wieder weg und vor allem sind auch jene Leute mit visueller Überkompetenz durchaus mit Beulen gesegnet. Liegt wahrscheinlich eher an den holprigen Pfaden als an der Linsenqualität.

Freude des ReisensBilder: 1 und 5 peter bachstein, 2 und 3. vera schwarz, 4 marc müller

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